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Der lange Tod des Buchhalters

Nichts in dieser Welt ist sicher, nur der Tod und die Steuern, zitierte einst Benjamin Franklin. Und da die Steuern auf diesen Seiten bereits anderweitig besetzt sind, wenden wir uns der zu erwartenden Todesursache des Buchhalters zu, dem Prozess der digitalen Transformation, welcher schon längst begonnen hat, aber in seinen Auswirkungen in der Treuhand- und der Finanzdienstleistungsbranche wohl noch zu wenig wahrgenommen wird.

Die Digitalisierung wird zwar seit geraumer Zeit und in allen möglichen Facetten thematisiert. Ja, es scheint schon beinahe zum guten Ton zu gehören, sich mit dem Wort in irgendeiner Form zu beschäftigen, zu schmücken, am Stammtisch darüber zu fachsimpeln oder eben einen Artikel über das Thema zu verfassen.

Indes gehen in all den Diskursen die Meinungen stark auseinander, was unter Digitalisierung zu verstehen ist und insbesondere, welche Folgen diese mit sich bringen wird, insbesondere für die Unternehmen der Treuhandbranche sowie deren Mitarbeiter, welche Buchführung als Dienstleistung erbringen.

Kürzlich haben wir uns mit einem Kollegen unterhalten – er ist selber Start-Up Unternehmer – welcher Dienstleistungen wie wir unseren Kunden anbietet. Daraus ergab sich dann eine rege Unterhaltung darüber, wie die Zukunft der Buchführung sowie die Treuhandberatung aussehen könnte. Und in diesem Zusammenhang hat er die auch absolut berechtigte Frage gestellt, welchen Nutzen und Mehrwert wir unseren Kunden bis anhin gebracht haben und was es künftig sein wird.

Bis anhin konnte man als Treuhanddienstleister die erforderliche Infrastruktur wie Software einerseits, aber auch die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter andererseits in die Waagschale werfen. Insbesondere die relativ hohen Kosten für Buchhaltungsapplikationen war Argument genug, dass viele Unternehmer das Finanz- und Rechnungswesen betriebsextern durch ein Treuhandunternehmen erbringen liessen.

Die Zahl der Anbieter, welche moderne Finanzsoftware entwickeln, ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Diese Applikationen vereinfachen die Buchführung von Grund auf und ermöglichen dadurch auch Personen ohne grössere Fachkenntnisse, ihr Finanz- und Rechnungswesen selber zu führen. Doch auch diese bereits für Treuhänder eher unliebsame «Konkurrenz» wird sich weiterentwickeln. Was vor einem halben Jahrhundert noch weitgehend manuell erfolgte und vor rund drei Dekaden mit dem Aufkommen des PCs die erste grosse Neuausrichtung erfuhr, wird in den kommenden Jahren durch die Automatisierung die nächste und entscheidende Veränderung erfahren.

Ein disruptiver Durchbruch im Rechnungswesen wie auch dem Controlling ist daher nur eine Frage von wahrscheinlich sehr kurzer Zeit. Denn die Digitalisierung hat in anderen Gebieten bereits zu massgebenden Umwälzungen geführt und wird es auch hier tun. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird die bekannten Arbeitsweisen und -modelle signifikant verändern.

Aber wie wird diese Welt aussehen und was bedeutet dies für den Buchhalter?
Provokativ ausgedrückt: Der Beruf, so wie wir ihn bis jetzt gekannt haben, wird aussterben. Denn schon mit den bestehenden technologischen Möglichkeiten können bereits heute beträchtliche Automatisierungsgrade erreicht werden. Gewisse Applikationen bieten hier schon erste Ansätze und vereinfachen die Arbeit. Der wirklich grosse Durchbruch steht aber noch bevor.

Allerdings, die Digitalisierung bedeutet nicht zwangsläufig, dass damit ganze Berufszweige komplett verschwinden werden. Denn es gibt heute trotz Uber noch Taxifahrer, und trotz AirBnB noch Hotels.

Doch die Transformation wird kommen und die Aufgaben werden sich weg von der Sachbearbeitung hin zur Beratung bewegen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Komplexität in vielen Bereichen wie der Rechnungslegung oder im Steuerrecht zugenommen haben. Und es sieht leider oder eben auch zum Glück nicht danach aus, dass sich das in der digitalisierten Zukunft ändern wird.

Die Anforderung in der Treuhandbranche wird darin bestehen, angesichts der anstehenden Veränderungen rechtzeitig Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und neue kreative Ideen und Lösungsansätze zu finden. Denn der Tod wird vorab diejenigen ereilen, welche stehen bleiben.

11. Juni 2020