Ab dem 1. Januar 2023 treten neue Bestimmungen im Bereich des Erbrechts in Kraft. Die Neuerungen sollen das Erbrecht an die heutigen gesellschaftlichen Formen des Zusammenlebens anpassen. Sämtliche Erblassenden, die nach dem 31. Dezember 2022 verstorben sind, fallen automatisch unter die neue Regelung. Dies gilt unabhängig vom Verfassungsdatum ihres Testaments oder des Erbvertrages. Folgende Neuerungen gilt es besonders hervorzuheben:
Pflichtteil
Die wichtigste Neuerung betrifft den Pflichtteil. Der pflichteilsgeschützte Erbteil der Kinder, welcher aktuell noch drei Viertel beträgt, wird neu auf 50% reduziert. Der gesetzliche Erbteil des Ehepartners/ eingetragenen Partners bleibt unverändert und der Pflichtteil der Eltern entfällt mit der Revision ganz. Die Nachkommen haben somit neu einen Anspruch auf mindestens die Hälfte des Nachlasses, wenn der verstorbene Elternteil nicht verheiratet war und auf einen Viertel des Nachlasses, wenn der verstorbene Elternteil verheiratet war.
Durch die Senkung der Pflichtteile für Nachkommen erhalten die Erblassenden mehr Freiheiten bei der Verfügung über ihr Vermögen. Somit können Personen oder Institutionen ihrer Wahl zusätzlich begünstigt werden. Hierzu zählen beispielsweise Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner, Konkubinatspartner, Stief- und Patenkinder oder wohltätige Organisationen. Die gewünschte Begünstigung muss im Testament festgehalten werden.
Schenkungsverbot
Neu gilt bei einem Grossteil der Erbverträge ein Schenkungsverbot. Hiervon ausgenommen sind Gelegenheitsgeschenke. Es können Schenkungen angefochten werden, welche zu Lebzeiten oder im Hinblick auf den Tod der Erblassenden getätigt wurden, nicht mit dem Erbvertrag vereinbar sind und gleichzeitig die eigenen erbvertraglichen Begünstigungen verringern.
Möchten die Erblassenden nicht durch diese Regelung eingeschränkt werden, sollten sie entsprechende Vorbehalte im Erbvertrag festhalten.
Tod während eines Scheidungsverfahrens
Tritt der Tod eines Ehegatten während dem Scheidungsverfahren ein oder haben die Ehepartner zum Zeitpunkt des Todes bereits seit über zwei Jahren getrennt gelebt, verliert die hinterbliebene Person mit der neuen Regelung diverse Ansprüche. Hierzu gehören der Pflichtteilanspruch, die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen oder ehevertragliche Begünstigungen (beispielsweise die Errungenschaftsbeteiligung).
Die oben erwähnte Anspruchsverluste können durch eine entsprechende Regelung im Erb- oder Ehevertrag ausgeschlossen werden. Dies gilt jedoch nur für die Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen oder ehevertragliche Begünstigungen, nicht für den Pflichtteilanspruch.
Nutzniessung des Ehegatten am Erbteil der gemeinsamen Kinder
Die Ehegattenbegünstigung wird durch die neuen Bestimmungen weiter ausgebaut. Neu wird dem überlebenden Ehegatten die Hälfte des Nachlasses (bisher ein Viertel) zu Volleigentum und dementsprechend 1/2 zur Nutzniessung zugesprochen. Geht die Person eine neue Ehe/ eingetragene Partnerschaft ein, so verliert sie die Nutzniessung auf dem Pflichtteil der gemeinsamen Nachkommen und muss den betreffenden Anteil in das Eigentum der Kinder übertragen.
Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen
Besonders Familienunternehmen profitieren von den neuen Erbrechtsbestimmungen. Durch die neuen Verfügungsfreiheiten wird es den Erblassenden erleichtert, den Nachlass ungleichmässig in der Familie verteilen zu können. Dies kann die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen vereinfachen.
13. Juni 2022